Martina F. ist 65 Jahre alt, hat eine 68 jährige Schwester Dorothee B.
Dorothee B. wohnt in der Nähe von Frankfurt. Die gemeinsame Mutter ist im Jahre 2015 verstorben. Martina, die unmittelbar neben der Mutter ihr eigenes Haus bewohnte, wurde nach einem Testament der Mutter Alleinerbin. Die Mutter hinterließ 120.000,00 €. Weiter hatte sie noch ein kleines Haus, in dem sie bis zu ihrem Tode lebte. Dorothee war natürlich nicht erfreut, als sie feststellte, dass ihre Schwester Martina Alleinerbin geworden war, d.h. das Haus und das Bankvermögen geerbt hatte. Insgesamt hatte sie damit etwa 220.000,00 € an „Werten“ geerbt.
Martina erklärte ihrer Schwester Dorothee bei der Beerdigung, dass sie schließlich 4 Jahre lang die hochgradig demente Mutter, die ein voller Pflegefall war, im Haus gepflegt hat, lediglich unterstützt durch ambulante Pflegedienststellen, ihr täglich 3 x Mahlzeiten bereitet hatte, sie in den letzten 3 Jahren täglich praktisch ununterbrochen bei ihr bleiben musste, weil die demente Mutter nicht alleine gelassen werden konnte. Dann stand sie nämlich auf, fiel hin, verletzte sich oder ging an den Herd, machte irgendwelche unsinnige Sachen.
Dorothee erinnerte sich daran, dass ihre Mutter 30 Jahre vorher der Schwester Martina das neben dem Haus liegende Grundstück geschenkt hatte, damit sie mit ihrem frischgebackenen Ehemann darauf ein Haus baut. Der damalige Wert des Grundstücks bewegte sich bei etwa 70.000,00 DM, was auf den heutigen Wert umgerechnet etwa das Doppelte ausmachte. Dorothee fand sich ungerecht behandelt und machte Ansprüche bei ihrer Schwester geltend. Zum einen hatte sie Pflichtteilsansprüche, da sie als Tochter enterbt war. Dagegen war nichts einzuwenden. Der Pflichtteilsanspruch bewegte sich hier auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, d.h. etwa 55.000,00 €. Dieses Geld wurde ihr auf Aufforderung bezahlt.
Allerdings hat sie auch sich daran gestoßen, dass ihre Schwester in der Vergangenheit einmal das Grundstück erhalten hatte, was immerhin einen heutigen Wert von etwa 75.000,00 € ausmachte. Die Übertragung eines solchen Hausgrundstücks stellt meistens eine Ausstattung im Sinne des § 2050 BGB dar. Diese ist später unter den Kindern meist wieder auszugleichen, d.h. derjenige der nichts erhalten hat, soll dann sinngemäß im Erbfall gleichgestellt werden.
Über alle diese Überlegungen zerstritten sich die Schwestern erheblich.
Unvermeidlich kam es zu einem Prozess. In diesem Prozess konnte Martina nachweisen, dass sie an rund 330 Tagen im Jahr mindestens 5 Stunden täglich für ihre Mutter in pflegerisch tätig war. Dies machte rund 1.600 Stunden im Jahr aus, für 3 Jahre etwa 4800 Stunden.
Die Leistungen konnten mit einem Pflegetagebuch zurückverfolgt werden. Folglich hatte Martina auch nach Ansicht des Gerichts Leistungen gegenüber der Mutter erbracht, die das Vermögen der Mutter schonten. Der Wert wurde mit etwa 48.000,00 € angenommen. Das Gericht war deshalb der Auffassung, dass dieser Betrag in den Ausgleich miteinfließen muss, so dass tatsächlich nach Ansicht des Gerichts Dorothee mit Erhalt der 55.000,00 € ausreichend berücksichtigt worden war, weil die hälftige Grundstücksschenkung hochgerechnet weniger ausmachte, als der persönliche jahrelange Einsatz als Pflegerin der Mutter.
Folglich konnte Dorothee von ihrer Schwester nichts weiter verlangen.
Wie der Fachanwalt für Erbrecht Marwin H. Roth aus Saarbrücken anhand dieses Beispielfalls mitteilt, ist es sehr empfehlenswert, zum einen Schenkungsurkunden und wichtige Belege jahrzehntelang aufzuheben, um später den Nachweis von ausgleichungspflichtigen Ausstattungsleistungen der Eltern führen zu können. Genauso ist es aber auch zu empfehlen, dass Kinder, die ihre Eltern tatsächlich mit erheblichem Einsatz regelmäßig pflegen, diese Pflege in einem Pflegetagebuch dokumentieren und sich auch für Leistungen Beweise sichern sollten.
Damit wird der Nachweis erleichtert, dass tatsächlich erhebliche Pflegeleistungen, die zum internen Ausgleich unter Kindern im Erbfalle führen können, erbracht worden sind. In vielen Fällen werden solche Positionen dann erst vor Gericht geklärt. Solche Gerichtsverfahren sind dann entbehrlich, wenn tatsächlich bereits im Vorfeld die beiderseitigen Positionen auch durch entsprechende Dokumente und Unterlagen ausreichend sicher belegt werden können.
In jedem Fall sollte jedes Kind, das enterbt ist, sich an einen Fachanwalt für Erbrecht wenden, um Ansprüche geltend zu machen, der dann auch prüfen muss, ob weiter darüberhinausgehende Ausstattungsansprüche oder Ausgleichsansprüche aus der Vergangenheit bestehen können. So wird eine Realisierung von Ansprüchen, auch wenn sie schwieriger zu fassen sind, ermöglicht.
Marwin H. Roth
Fachanwalt für Erbrecht, Saarbrücken